20150420_PM_Positionspapier der BellandVision GmbH zum Wertstoffgesetz

Positionspapier der BellandVision GmbH zum Wertstoffgesetz

Wertstofferfassung - mit oder ohne Wertstoffgesetz

Pegnitz, 20. April 2015

Vorgeschichte

In den 1980er Jahren drohte den Abfalldeponien mangels ausreichender Kapazitäten der Notstand. Der ehemalige Umweltminister Klaus Töpfer entwickelte die Idee, das Abfallvolumen durch Getrennterfassung von Verpackungsmaterial und dessen Recycling maßgeblich zu reduzieren. Lösung war 1991 mit Inkrafttreten der Verpackungsverordnung die gesetzgeberische Verankerung der sogenannten Produktverantwortung. Mit der Einführung der Verantwortung der Hersteller und des Handels für ihre mit den Produkten verbundenen zukünftigen Verpackungsabfälle, sollten auch die Entsorgungs- und Verwertungskosten internalisiert werden. Zusätzlich wurden die Produktverantwortlichen dadurch motiviert, möglichst geringe und gut recycelbare Verpackungsmengen einzusetzen.

Gleichzeitig wurden bundesweit Abfallverbrennungskapazitäten zur Reduzierung abzulagernder Reststoffe geschaffen. Das 1996 in Kraft getretene Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz bestätigte diese Entwicklungen hin zum Recycling durch Einführung der sogenannten dreistufigen Abfallhierarchie aus Vermeiden, Verwerten und Beseitigen.

Zur operativen Wahrnehmung der Verwertungsaufgabe gründeten Handel und Industrie das Duale System. Gleichzeitig etablierte sich bei den Verbrauchern das Getrenntsammeln/ -erfassen von Verpackungs- und Restabfall. Durch das Öffnen des Marktes für Wettbewerber im Jahre 1998 entwickelte sich die heutige Systemlandschaft bestehend aus zehn dualen Systemen, deren Konkurrenz nicht nur zu massiven Kostenreduktionen von über 50 Prozent, sondern auch zur Fortentwicklung der Recyclingtechnik führte.

Mit mehreren Novellen der Verpackungsverordnung trug man den Entwicklungen in den vergangenen 20 Jahren Rechnung. Die 2008 im EU-Recht (in der sogenannten Abfallrahmenrichtlinie) auf deutsches Drängen festgeschriebene sogenannte Herstellerverantwortung und die Verfeinerung der Abfallhierarchie (5-stufig) veranlassten Deutschland, 2012 das Kreislaufwirtschaftsgesetz zu erlassen und damit den Recyclinggedanken immer stärker zu betonen. In den §§ 23 ff Kreislaufwirtschaftsgesetz wird in Umsetzung des Verursacherprinzips und der erweiterten Herstellerverantwortung der EU-Abfallrahmenrichtlinie und zur Erreichung einer EU-weiten „Recycling-Gesellschaft" die Produktverantwortung der Hersteller als Grundprinzip bestätigt und erneut verankert. Zugrunde liegende Überzeugung des Gesetzgebers ist der Umstand, dass Deutschland als rohstoffarme Exportnation auf Recyclingwertstoffe verstärkt angewiesen ist und in Zukunft vermehrt sein wird. Dem soll die Erweiterung der Getrenntsammlung auf stoffgleiche Nichtverpackungsabfälle aus Kunststoffen und Metallen dienen.

Bereits unter den beiden Umweltministern Röttgen und Altmaier reifte die Idee einer Weiterentwicklung der deutschen Kreislaufwirtschaft. Ziel war es, das Recycling zu stärken, Kreisläufe zu schließen und das Wirtschaftswachstum vom Primärrohstoffverbrauch zu entkoppeln. Hierzu soll ein neues Gesetz auf den Weg gebracht werden, welches diesen Zielen Rechnung trägt: das Wertstoffgesetz.

BellandVision begrüßt ausdrücklich das Bemühen des Bundesumweltministeriums (BMUB), das Recycling in Deutschland zu stärken. Aufgrund der langwierigen Diskussion über das Wertstoffgesetz stellt sich allerdings zunehmend die Frage, ob dafür ein neues Gesetz tatsächlich notwendig ist. Fakt ist, dass die deutsche Recyclingwirtschaft einen klaren rechtlichen Rahmen benötigt, um weiterhin innovativ zu sein und Investitionen zu tätigen. Ziel muss es sein, möglichst viele Rohstoffe im Kreislauf zu führen und damit ökologisch und ökonomisch den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken, weniger abhängig von Rohstoffimporten zu machen und Kosten für die Verbraucher zu minimieren.
Die aktuelle Diskussion kreist zusehends um die sogenannten stoffgleichen Nichtverpackungen, die nach Experteneinschätzungen etwa eine Größenordnung von fünf bis maximal sieben Kilogramm pro Einwohner und Jahr betragen. Diese stoffgleichen Nichtverpackungen werden bereits heute teilweise als sogenannte „intelligente Fehlwürfe" in den gelben Säcken gesammelt und machen nach aktuellen Studien schon etwa drei bis vier Kilogramm pro Einwohner und Jahr aus.

Aus Sicht von BellandVision sind daher folgende Regelungen zeitnah notwendig, um weiterhin in der globalen Recyclingwirtschaft eine Vorreiterrolle einzunehmen.

Legalisierung intelligenter Fehlwürfe

Der weitverbreiteten Übung der Verbraucher, bereits heute stoffgleiche Nichtverpackungen der Wertstofferfassung zuzuführen, muss der Gesetzgeber durch entsprechende Legalisierung nachkommen. Es wäre nur folgerichtig, die Produktverantwortung auf stoffgleiche Nichtverpackungen auszudehnen und hierfür die vorhandenen privatwirtschaftlichen Strukturen, das über zwei Jahrzehnte entwickelte Knowhow und die vorhandenen Instrumentarien der dualen Systeme zu nutzen. Denn diese haben ein hocheffizientes Managementsystem für Lizenzierung, Erfassung, Sortierung und Verwertung entwickelt, das weltweit Vorbildcharakter besitzt.

Auch die Finanzierungsregelung für Verpackungen sollte auf stoffgleiche Nichtverpackungen zügig übertragen werden, damit die Entsorgung und Verwertung dieser „intelligenten Fehlwürfe" nicht weiterhin über die Lizenzgebühren der Verkaufsverpackungen subventioniert werden müssen.
Deshalb spricht sich BellandVision auch im Bereich der Finanzierung der stoffgleichen Nichtverpackung für eine Übernahme der bisher gängigen Praxis der Verpackungslizenzierung aus.

Quoten und Recyclingerfolg

Um maximale Mengen an Sekundärrohstoffen zu gewinnen, sind zunächst möglichst viele Wertstoffe zu sammeln. Gleichzeitig sind ambitionierte Verwertungsquoten notwendig. Je nach Bezugsgröße der Quote auf die Lizenzmenge oder Erfassungsmenge wird der Recyclingerfolg größer oder kleiner.

Verwertungsquoten, die sich ausschließlich auf die Sammelmenge beziehen, haben keine Wirkung auf hohe Sammelleistung und -menge. Es wäre irrelevant, ob 10 Prozent oder 90 Prozent der in Verkehr gebrachten Wertstoffe zurückgeholt werden. Eine Verwertungsquote, die sich ausschließlich auf erfasste Mengen bezieht, reduziert somit jede Motivation eine maximale Menge an Wertstoffen zu sammeln. Gegebenenfalls führt es sogar dazu, dass nur geringe Mengen gesammelt werden, um mit minimalem Aufwand die geforderte Quote darzustellen.

Bezieht sich die Verwertungsquote hingegen auf die lizenzierte Menge, erhöht diese zwangsläufig die Motivation eine maximale Menge an Wertstoffen zu sammeln, um daraus die geforderte Verwertungsquote zu erzielen.

Angenommen 100 Prozent aller Verpackungen und stoffgleichen Nichtverpackungen in Deutschland würden lizenziert und eine Verwertungsquote von 75 Prozent wäre vorgegeben, müssten mindestens 75 Prozent dieser Menge gesammelt werden, wenn es technisch möglich wäre 100 Prozent zu verwerten. Da eine 100-prozentige Verwertung aber aktuell technisch nicht möglich ist, ergeben sich somit hieraus zwei Motivationen, um die 75-prozentige Verwertungsquote der Lizenzmenge zu erreichen: 1. Steigerung der Sammelmenge auf deutlich über 75 Prozent und 2. Verbesserung der Sortier- und Verwertungsprozesse durch Innovationen.

BellandVision ist davon überzeugt, dass nur ambitionierte Quoten auf die lizenzierte Menge zum größtmöglichen Recyclingerfolg führen können, um große Mengen an Sekundärmaterial zu generieren und Deutschland unabhängiger von Rohstoffimporten zu machen. Als Voraussetzung gilt natürlich immer, dass alle Verpackungen und stoffgleiche Nichtverpackungen ordnungsgemäß lizenziert werden und, dass die Verbraucher gebrauchte Wertstoffe systemkonform mit möglichst wenig Anhaftungen oder gar zusammen mit Restmüll sammeln. Nur bei hinreichender Vorsortierung filtern Sortieranlagen beste Sekundärrohstoffe heraus.

Als Parallelmaßnahme wäre es zudem hilfreich, eine erhöhte Nachfrage nach Sekundärrohstoffen zu initiieren. BellandVision spricht sich deshalb dafür aus, - wo möglich - definierte erhöhte Anteile an Sekundärrohstoffen als Substitut von Primärrohstoffen in neuen Verpackungen und Produkten durch staatliche Maßnahmen vorübergehend zu belohnen. Hierdurch werden Unternehmen motiviert, entsprechende Innovationen zur Primärrohstoffeinsparung mit Sekundärrohstoffen anzustoßen und nachhaltig umzusetzen.

Kommunal und Privat

Für BellandVision steht die Frage nach der Zuständigkeit nicht zur Diskussion. Fakt ist, dass in Deutschland ein hervorragendes wettbewerbliches System zum Recyclingmanagement von Verpackungen existiert, das kostengünstig und effizient sofort auf stoffgleiche Nichtverpackungen ausgeweitet werden kann. Schon heute sind rund 14 Millionen Haushalte in Deutschland an eine Wertstofferfassung - eine gemeinsame Erfassung von Verpackungen und stoffgleichen Nichtverpackungen - angeschlossen. Dies beweist nicht nur, dass für die Einführung einer Wertstofftonne kein neues Gesetz notwendig ist, sondern auch, dass die nötige Kompetenz bereits vorhanden ist. Einzig gesetzliche Regelungen über Entsorgungszuständigkeit, Herstellerverantwortung und -finanzierung fehlen hier. Einige vom Verband kommunaler Unternehmen vertretene Entsorger und einige Interessensvertreter fordern die grundsätzliche Entsorgungsverantwortung auf Seiten der öffentlich-rechtlichen Entsorger und die Abschaffung der dualen Systeme, um deren Aufgaben selbst zu übernehmen. Ziel ist es, ein kommunales Monopol zu schaffen, in dem sich die kommunalen Entsorgungsunternehmen keinerlei Wettbewerb mehr zu stellen haben. Jegliches fehlendes Knowhow sowie fehlende Instrumentarien der Kommunen werden dabei ignoriert.
Unzweifelhafte Folge einer derartigen Strukturveränderung wären auf den Bürger abzuwälzende Mehrkosten von geschätzt bis zu 300 Prozent. Leidtragende wären die Verbraucher und der Recyclingstandort Deutschland. Aus diesem Grund lehnt BellandVision jegliches Monopol - ganz gleich ob kommunal oder privat - kategorisch ab. Stattdessen setzt BellandVision auf die Effektivität und die Innovationskraft des Wettbewerbs und die rechtliche Kontrolle, die durch eine neutrale Zentrale Stelle sichergestellt werden muss.

Kommunale Unternehmen der Abfallwirtschaft sind bereits heute bei Erfassung und Sortierung im Ausschreibungsverfahren sowie bei Vergabe beteiligt. Sie können und sollen auch weiterhin bei allen zu vergebenden Dienstleistungen berücksichtigt werden, soweit sie qualitativ und wirtschaftlich im Wettbewerb überzeugen.

Allerdings muss die Verantwortung über die Stoffströme bei denjenigen angesiedelt sein, die für ambitionierte Quotenerfüllung und Nachweisführung einzustehen haben. Somit ist es nicht nur kontraproduktiv, sondern auch schädlich, hier Zuständigkeiten zu trennen und künstliche Abhängigkeiten zu schaffen.

Heute ist die Kommune für die Standplatzreinigung und die Bürgerinformation verantwortlich, wofür jährlich 130 Millionen Euro von den dualen Systemen als sogenannte Nebenentgelte bezahlt werden. Die tägliche Praxis lehrt, dass vielerorts mangelnde Aufklärungsarbeit über eine gezielte Wertstofferfassung geleistet wird und die Nebenentgelte anderweitig genutzt werden.

Insbesondere weil die Bürgerinformation ein zentrales Element zur Steigerung der Wertstoffsammelmenge, der Sortierqualität und der Akzeptanz durch die Verbraucher darstellt, spricht sich BellandVision für eine Änderung der Nebenentgeltregelung aus und befürwortet eine Verlagerung der Kommunikations- und Aufklärungsmaßnahmen auf die verantwortlichen dualen Systeme.

Kontrolle und Sanktion

Kommunal- und Landesbehörden beklagen seit Jahren mangelnde Kontrollmöglichkeiten aufgrund fehlender eigener personeller und finanzieller Ressourcen. Nicht zuletzt deshalb war es möglich, dass nicht alle Verpackungen als duale Lizenzmenge gemeldet wurden.
BellandVision setzt sich daher vehement dafür ein, die Kontrollaufgaben der verschiedenen staatlichen Ebenen auf eine neutrale Zentrale Stelle zu übertragen und dort zu bündeln. Damit verbunden müssen dieser neutralen Zentralen Stelle effektive Sanktionsmechanismen übertragen werden.

Fazit

Der Kreislaufwirtschaftsgesetzgeber hat in §10 Absatz 1, Satz 1, Ziffer 3 den Bund ermächtigt, im Rahmen einer Rechtsverordnung eine einheitliche Wertstofftonne oder Wertstofferfassung zu regeln. Im Interesse des Erhalts der ökonomischen und ökologischen Vorreiterrolle Deutschlands bei der Wertstofferfassung und Rohstoffsicherung durch Schließung von Recyclingkreisläufen, spricht sich BellandVision für eine umgehende Umsetzung der vorstehenden Vorschläge im Rahmen einer Novelle der Verpackungsverordnung oder Wertstoffverordnung aus. Ziel muss sein, durch Recycling möglichst viele Rohstoffimporte zu substituieren, Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu erreichen, sowie dem Verbraucher weiterhin ein einfaches, effizientes und kostengünstiges Wertstoffsammelsystem anzubieten.

 

Über BellandVision

Die BellandVision GmbH, mit Sitz in Pegnitz, ist eine 100%ige Tochter der SITA DEUTSCHLAND und damit ein Unternehmen der SUEZ ENVIRONNEMENT Gruppe. Der börsennotierte französische Konzern umfasst die gesamten Aktivitäten in der Wasser- und Abfallwirtschaft der SUEZ Gruppe.